Aug 07 2008

Ein Blogartikel nur für Männer: Woher stammt Ihr Männerbild?

Im Café in Spanien lässt es sich gut arbeiten.

Im Café in Spanien lässt es sich gut arbeiten.

Die Arbeit am Buch geht gut voran. Wie ich befürchtet habe, komme ich nur im Urlaub dazu, wirklich regelmäßig daran zu schreiben. So sitze ich nun hier in Spanien und tippe auf meinem neuen Aldi Netbook (sehr empfehlenswertes Teil, weil klein und mit XP) Seite um Seite. Mittlerweile bin ich auf Seite 104.

In meinem Buch geht es ja unter anderem darum, wie Männer erwachsen werden bzw. welche Schwierigkeiten sich da einem in den Weg stellen können.

Nun ist die Frage, wann ein Mann ein Mann ist, ja nicht objektiv zu benatowrten. Wie fast alles im Leben hängt dies von den Vorstellungen, Werten und Gepflogenheiten der jeweiligen Zeit und der jeweiligen Kultur ab.

In patriarchalischen Gesellschaften sind die Dinge klar geregelt. Der Mann bestimmt, die Frau gehorcht. Soweit zumindest die Theorie. Doch spätestens seit der Frauenbewegung vor dreissig Jahren sind die Dinge ins Fließen gekommen.

Plötzlich dürfen Frauen Kaminkehrer und Kanzler werden. Und Männer dürfen bei der Geburtsvorbereitung mithecheln und nach der Geburt auch ein paar Monate ihr Kind versorgen. Mit anderen Worten, was jetzt wirklich männlich oder weiblich ist oder sein soll, ist nicht mehr so leicht mit Hinweis auf die Tradition zu bestimmen.

Doch natürlich trägt jeder trotz dieser neuen Entwicklungen ein Männer- bzw. Frauenbild in sich. Denn darauf gründet sich ja auch unsere jeweilige Geschlechteridentität. Woher kommen diese inneren Bilder?

In der Regel wird das eigene Männerbild ja durch den Vater geprägt. Durch seine Eigenschaften, seine Fähigkeiten und Fehler lernen wir von klein auf, wie ein Mann ist. Einfach dadurch weil wir täglich mit ihm zu tun haben. Als kleiner Junge denkt man ja nicht primär daran, dass es  Milliarden Männer auf der Welt gibt, sondern dieser eine Mann ist eben sehr prägend für uns. Auch weil wir – ähnlich wie von der Mutter – total abhängig sind und irgendwie mit ihm auskommen müssen.

Identifikation ist also eine wichtige Quelle der eigenen Identifikationsentwicklung. Natürlich nicht nur mit dem Vater, sondern auch mit anderen männlichen Vorbildern wie Onkel, Großvater, Bruder, Nachbar, Lehrer usw. Doch nicht nur reale Personen sind hierbei wichtig. Auch männliche Vorbilder aus Märchen, Geschichten, Büchern, Filmen etc. sind wichtig.

Hierzu einige Fragen an Sie:

  • Welche Eigenschaften haben Sie von Ihrem Vater?
  • Welche Verhaltensweisen haben Sie von ihm?
  • Welche Redensarten oder Sprüche von ihm fallen Ihnen ein?
  • Welche Hobbys haben Sie von ihm übernommen?
  • Welche Vorlieben und Abneigungen haben Sie von ihm?
  • Welche anderen Männer aus Ihrer Kindheit haben Sie geprägt?
  • Welche Hauptfigur aus Buch, Film oder Geschichte hat sie beeindruckt?
  • Welche anderen Erfahrungen haben Ihr persönliches Männerbild geprägt?

Wenn Sie wollen, schreiben Sie mir Ihre Antworten hier als Kommentar. Einige davon werde ich sicher in mein Buch mit aufnehmen.

11 Kommentare bisher

11 Kommentare to “Ein Blogartikel nur für Männer: Woher stammt Ihr Männerbild?”

  1. beziehungsWEISEon 24 Sep 2008 at 09:53

    Der Mann ist kein Mann, er ist alles das, was er entsprechend den Ansprüchen der Frauen (die Ansprüche, die sie über ihre regelnde und geregelte Muttersprache perfekt äußern) kann.
    Ich persönlich werde von allen (wahrscheinlich als einziger Mann auf dieser Welt) als Frauenfeind angesehen, denn ich überprüfe ihre Muttersprache auf höhergeistige Inhalte, und niemand will das verstehen.
    Aber das ist verständlich, denn niemand möchte zugeben lächerlich zu sein, das sieht doch wohl jeder ein.

    Buchlink:http://home.arcor.de/uniperversum/html/download_buch.html

    beziehungsWEISE

  2. Roland Kopp-Wichmannon 24 Sep 2008 at 11:17

    Hallo,
    na, das ist schon eine sehr spezielle Sicht, die Sie da auf Frauen – und speziell deren angebliche Macht – haben. Ich kann Ihnen da nicht folgen.
    Danke für Ihren Kommentar.

  3. beziehungsWEISEon 25 Sep 2008 at 00:27

    Das Wort ist die Wahrheit, und wer der Wahrheit folgt, der braucht der anspruchsvollen Muttersprache nicht folgen, denn er kennt die da entstehenden Folgen.
    Ja die durch die regelnde Muttersprache geborenen Männerbilder, sie werden nach und nach immer wilder, und plötzlich haben wir dann einen ganzen Bilderberg, die neue Weltordnung der Schattenregierung durch den muttersprachlich eingelaufenen Zwerg.
    Ich verdichte den Geist, Sie sprechen sehr brav die Sprache ihrer Mutter, na dann ist ja für uns beide alles in Butter.

  4. Roland Kopp-Wichmannon 25 Sep 2008 at 05:52

    Hallo,
    Sie scheinen mir ein Anhänger von Verschwörungstheorien zu sein. Jedenfalls glaube ich nicht, dass es eine „Muttersprache“ in Ihrem Sinne gibt. Als Therapeut würde ich ja vermuten, Sie haben mehr ein Problem mit Ihrer Mutter als mit der Muttersprache aber ich glaube, das werden Sie weit von sich weisen. Wer die „Wahrheit“ hinter sich weiß, ist ja nicht immer offen für andere Sichtweisen.

    Danke für Ihren Kommentar.

  5. beziehungsWEISEon 27 Sep 2008 at 11:42

    Sagen sie mir, welche Sichtweise es noch gibt, außer die für alle offensichtliche Wahrheit, in ihrer unbequemen Art und Weise, die sich da nicht auf gesellschaftlich vorgefertigte Denkmuster stützt. In einem muss ich ihnen jedoch recht geben, ich habe meine Mutter als Kind abgrundtief gehasst, heute kann ich nun aber viele ihrer unwissenden Ohnmachtsituationen verstehen, und lasse sie ihren Weg gehen.
    Und so falle ich nun seit fast 20 Jahren keiner Frau mehr zur Last, und das Resultat lässt sich sehen, denn jeden Tag ist die Wahrheit bei mir zu Gast, ich habe sie bis jetzt auf zirka 3500 Niederschriftseiten zusammengefasst.
    Wie würden sie Selbsterkenntnis üben, etwa indem man sich auch für etwas anderes öffnet, als nur für die Wahrheit?
    Jeder hat also recht, der zu mir sagt: „Du bist doch wohl nicht ganz gescheit!“
    An meiner Schrift werden sie es nun schon erkennen, ich liege immer ganz dicht neben der Muttersprachlichkeit, und die Überlegung, die ihr die Sprache verschlägt, macht sich da schon ab und zu mal breit.

    beziehungsWEISE

  6. Roland Kopp-Wichmannon 27 Sep 2008 at 11:56

    Hallo,
    es gibt keine „offensichtliche Wahrheit“, auch wenn das alle Religionen und die jeweiligen Anhänger immer behaupten.

    Mein Buch, das ich gerade schreibe, geht darum, wie Männer erwachsen werden können. Dazu ist es notwendig, sich von seinen Eltern abzulösen, wobei die innere Ablösung entscheidender ist als die äußere. Wenn man jemanden hasst, egal ob die eigene Mutter oder – stellvertretend – alle anderen Frauen, ist man nicht abgelöst. Denn Hass verbindet, sehr intensiv sogar.

    Sie haben offensichtlich ein Ventil gefunden, um sich damit auseinanderzusetzen, das Schreiben der „Wahrheit“. Aber es hat Sie vermutlich nicht sich mit den Frauen aussöhnen lassen, denn sonst würden Sie diese ja nicht so meiden.

    Selbsterkenntnis ist tatsächlich der beste Weg, den ich kenne, um frei zu werden. Dafür braucht man aber nicht „die Wahrheit“, sondern muss seine eigene „Wahrheit“ finden. Konkreter: man muss sich mit den Erfahrungen und Gefühlen seiner Biographie auseinandersetzen. Das ist zuweilen erschreckend, auch schmerzhaft, aber letztlich immer lohnend.

    Danke für Ihre Kommentar.

  7. beziehungsWEISEon 27 Sep 2008 at 18:18

    Warum soll der Hass mich verbinden, wäre es wirklich so, so würde ich kein ihn außer Kraft setzendes Wissen finden, denn ohne Wissen hat sich noch jeder in seinen Hass festgebissen und ist dann, auf seinem Werdegang zum übermütigen Burschen, sehr gerissen. Also, gehen wir doch lieber wissen, denn ohne dieses gibt es kein Gewissen, und als ein solches Raubtier wird der Mensch dann eines Tages selbst gerissen.
    Sie bringen das schon ganz gut mit ihrer Schlagzeile: „ Vorsicht: Persönlichkeitsentwicklung“ auf den Punkt, denn die ganze Wahrheit, die bringt nun einmal zu viel Klarheit.
    Ja ich habe ein Ventil, da haben die andern es wohl besser, denn ohne Wissen lebt man glücklich im ganz großen Stil, und in diesem gibt es nun mal einfach kein Zuviel, denn das ist ihr Ziel (kein Zuviel).
    Also eines muss ich ihnen sagen, erschreckend und schmerzhaft bin ich für viele, die da verfolgen ihre lohnenden Ziele.
    Und noch etwas, alle Religionen dieser Welt gehen mich nichts an, für mich zählt nur das Wort (Logos) über welches ich logisch erfassen kann.

    beziehungsWEISE

  8. Ralfon 28 Sep 2008 at 11:11

    An dieser Stelle einmal ein DANKE für Ihre Fragen. Das Nachdenken darüber und einhergehende Antworten waren für mich unbedingt interessant..

    Im Ergebnis sehe ich meinen Vater entsprechend der Einleitung zu Ihren Fragen tatsächlich als prägend:

  9. In einigen, wesentlichen Aspekten meiner Kindheit und Jugend. Mein Vater war eine wichtige Quelle der eigenen Identifikationsentwicklung.
  10. Aus tagesaktueller, nachdenklicher Sicht erstaunlicherweise nicht die wichtigste.
  11. Meinem Vater war und ist stets bei allem, was er tut, eine bemerkenswerte Ausdauer, Beharrlichkeit und Gründlichkeit im Vorgehen zu eigen. In diesem Sinne stets das Bestmögliche zu tun, wenigstens zu versuchen, ist eine übernommene Eigenschaft.
  12. Frank und frei gesprochen ist das praktisch mal Fluch mal Segen.
  13. Redensarten und Sprüche kannte er zuhauf. Und das ist noch immer so. In diesem Zusammenhang betrachtet sind aber weniger die unzähligen, mir noch erinnerlichen Sprüche (..und Scherze) als solche selbst interessant. Eher ist es die Tatsache, dass er eben zu allen möglichen Lebenslagen und Begebenheiten eine – passende – „Weisheit“ hatte.

    Passend. Qualitativ ok. So gewählt, dass nicht etwa der Spruch polarisierte und als solcher im Vordergrund stand, sondern geeignet war, Nachdenken über eine Situation oder eben mich selbst herzustellen.

    Übernommene Vorlieben, etwa im technischen Bereich gibt es. Keine seiner Abneigungen ist mir zu eigen. Hobbys, etwa Modellbau habe ich auch nicht übernommen. Einzig die Segelleidenschaft, zu der ich erst als Ü40 gekommen bin ist eine, ist -die- gelebte Gemeinsamkeit der Vorlieben zwischen uns. Eher alltägliches, gutes Essen mit guter Flasche Wein schon aber auch.

    Hauptfiguren aus Büchern , Filmen und Geschichten waren sicher damals beeindruckend. Als Beispiel hatten sich reichlich Freunde vorgenommen, im Zuge Ihrer Begeisterung für eine US Familiensaga etwa so zu werden wie J.R Ewing .

    Für Identifikation, also im besten Sinne eine wichtige Quelle der eigenen Identifikationsentwicklung, worauf ja Ihre Fragen abstellen, fehlte da immer zumindest für mich die Möglichkeit, lebensnaher Wahrhaftigkeit.

    Ihre letzte Frage nach Erfahrungen, die mein Männerbild prägten, bringt mich zu der, die ich eingangs als meine noch immer wichtigste empfinde.

    Von meinem Vater ist die gar nicht. Damals, 1986, sollte es Fallschirmspringen für mich sein. Aus der Ansammlung gleichgesinnter Leute, die ich jeden für sich als „Type“ empfand, erinnere ich einen Kölner SEK Beamten.Im Begreifen theoretischen Ausbildungsinhalte war ihm bemerkenswerte Schnelligkeit zu eigen. Dankenswerte, außergewöhnliche Physis obendrein.

    Bei meinem ersten Absprung war ich erster Springer, was bedeutet, während des Steigfluges an der Ausstiegsöffnung der kleinen Cessna zu sitzen. Es war laut. Kalt. Abgase. Mit jeder Menge Angst hab`ich mich gefragt, warum ich das mache. Die Öffnungsautomaten der Brustreserve waren scharf, als unser Absetzpilot aus beinah Absetzhöhe die Maschine über die Fläche abkippte und es rasant wieder nach unten ging. Dabei an der Ausstiegsluke zu sitzen war nicht eben lustig.

    Keine Ahnung was überhaupt vorging. Der mir gegenüber sitzende Sprungschüler hatte ein völlig verzerrtes Gesicht. Spannte konträre Gesichtsmuskeln an. Es war unwirklich. Ausgelieferte Hilflosigkeit beschreibt es am treffendsten. Der Kölner SEK Mann hatte sowas von unbeeindruckt reagiert, hielt mich mit mühelos eisernen Griff. Er war ruhig , nahezu unbeeindruckt und kontrolliert und wies uns an Stelle des ebenfalls erstarrten Ausbilders an, die Öffnungsautomaten wieder auszuschalten bzw. tat das selbst.

    Wir hatten durch das nicht mitgeteilte Absetzen von Springern einer zweiten Schule nichts weniger als eine für alle Beteiligten, lebensbedrohliche Luftnotlage erlebt. Für Ihn nahezu ein eher „durchlaufender Posten“. Alles easy.

    Für ein gewisses Mass an Sportlichkeit durch joggen mit dem Hund, biken, mal klettern oder auch sportliches segeln oder maßvollen Umgang mit Hanteln sorge ich seitdem mit Freude. Auch Situationen, in denen meine Ruhe, nun mein Überblick dienlich waren, gab es einige. Ein Beispiel der jüngsten Zeit ereignete sich auf der Beerdigung der Mutter meiner Partnerin.

    Ihr 86jähriger Vater litt enorm; ging nach der Zeremonie vor den Trauergästen. Jüngst in seinem Alter einen mehrfachen Beckenbruch durch Sturzeinwirkung erst beinah überstanden. Neben all den eigenen, gefühlsmäßigen Beteiligungen und Ablenkungen etwa durch Gespräche mit den Trauergästen war mir ein gewisser Überblick zu eigen. Ihn zu sehen. Seine Schwäche. In exakt dem Moment, da neben ihm zu sein, als er vor den Trauergästen zu stürzen drohte. Sein späterer Dank dafür, dass ich im richtigen Moment da war, ihn, wie er es nannte, ja fast bis zum Wagen getragen hätte, war schön und recht befriedigend.

    Ich möchte mit Überzeugung sagen, dass was den Mann im Jahre 2008 vor einem Sturz und erneuten Beckenbruch mit möglicherweise nachhaltigsten Folgen bewahrt hat, als eine einzelne Begebenheit mehr, schlicht noch immer auf mein Männerbild prägendes Erlebnis von 1986 beim Fallschirmspringen zurückgeht, das ein Stück weit mir zu eigen geworden ist.

    Ich freue mich auf Ihr Buch und wünsche Ihnen eine glückliche Hand beim Schreiben und guten Erfolg damit !

  14. Volker Heppon 15 Feb 2009 at 09:09

    Lieber Kollege,

    danke für die Webseite, ich wünsche mir, dass es immer mehr werden. Einen nicht unwesentlichen Teil unseres Männerbildes erhalten wir von der ersten Bezugsperson des Lebens – unserer Mutter: Wie geht sie mit dem vater um, welche Gefühle hat sie ihm gegenüber, wie spricht sie über und mit ihm sind ebenfalls wesentliche Faktoren, lange bevor die Imitation einsetzt.

    Ein nicht zu unterschätzender Faktor.
    Grüsse, Volker Hepp

  15. Albert Reimannon 14 Mai 2009 at 19:09

    Ich vermute, dass ich ihm ähnlich WAR in meiner Arbeitshaltung während meiner Berufstätigkeit: enorm fleißig und enorm verlässlich, was das „auf-der-Matte-Stehen“ betrifft.

    Weiters fällt mir ein: Mein Vater hatte als junger Mann zumindest ein Interesse an nicht alltäglichen Wissensgebieten; ich vermute, das habe ich von ihm geerbt (ich erschließe seine über Berufsinhalte hinausgehende Interessiertheit aus den wenigen Büchern, die er sich als Student leisten konnte und kaufte: „Ägyptische Märchen“, Lion Feuchtwangers Roman „Der Erfolg“, Huysmans’ Roman „Au rebours“, Romane von Balzac und Voltaire, aus dem Gedicht-Zyklus „Dafnisschäfer“ von Arno Holz…)

    Ich habe auch beobachtet, dass ich mir Verletzungen, die mir jemand zufügte, auf Zettel notierte, um sie nicht zu vergessen. Eines Tages konnte ich zu meiner Verblüffung feststellen, dass mein Vater dieses Verhalten ebenfalls hatte. Ich vermute: er vergaß Verletzungen, wollte das Vergessen aber vermeiden.

    Ich vermute, dass ich in grundlegender Ängstlichkeit ihm ähnlich bin. Ich glaube aber, dass ich deutlicher als er diesen Charakterzug KENNE und gegen ihn anzugehen versuche (In der Enneagramm-Psychotherapie wird dies als „kontraphobischer Sechser“ J bezeichnet).

    Ich sehe meinem Vater von der Statur und der schwachen Kopfbehaarung her ähnlich. Als ich noch im Büro saß, an dem selben Platz wie zuvor er, hatte ich des öfteren die Empfindung, bei der Körperhaltung und bei bestimmten Bewegungen, etwa dem Kratzen an der Augenbraue: „Hier sitzt ein Klon meines Vaters!“ – eine mir sehr unangenehme Empfindung, weil ich eigentlich partout nicht werden wollte wie mein Vater, weil ich lange Zeit eine ganz SCHLECHTE Meinung von ihm hatte. – Ich erzählte diese Mischung aus Beobachtung und Empfindung „Klon meines Vaters“ meiner Frau. Sie sagte: Er konnte im Gegensatz zu dir überhaupt nicht offen herzlich frei lachen, so wie DU das kannst und tust. – Diese Antwort empfinde ich als tröstlich, sie STIMMT.
    Welche Redensarten oder Sprüche von ihm fallen Ihnen ein?
    Nicht eine einzige.
    Welche Hobbys haben Sie von ihm übernommen?
    Vermutlich allenfalls das Kaufen von Büchern und das Interesse an Musik. Weder sein Tennisspiel, noch sein Briefmarkensammeln, noch sein Wein-Trinken habe ich übernommen. – Musik, Tennis und Briefmarken waren bei ihm bereits für immer passé, als ich etwa acht Jahre alt wurde.
    Welche Vorlieben und Abneigungen haben Sie von ihm?
    Ich war wohl wie er SEHR an Sex interessiert, des weiteren an Pornografie.
    Sonst weiß ich eigentlich nix von identischen Vorlieben. Es sieht so aus, als ob sein Interesse an Pornografie wohl NOCH länger anhielt als wie bei mir.

    Um MEHR über weitere Vor- und Abneigungen zu sagen, müsste ich mehr von meinem Vater wissen. Es gab aber nur sehr wenig Kontakt zwischen uns beiden. Ein Beispiel: Während 13 Schuljahren in meiner Heimatstadt musste ich zweimal je 13, also 26 Mal ein Schulhalb- und –ganzjahres-Zeugnis von ihm als Erziehungsberechtigten unterzeichnen lassen. Dazu musste ich zu ihm gehen und ihn um seine Unterschrift ins Zeugnisheft bitten, was mir wahnsinnig schwer fiel. Der Zeugnis-Notendurchschnitt lag fast immer zwischen 1 und 2, einige Male zum Schluss der Gymnasiumszeit bis maximal zwei minus. EIN EINZIGES Mal sagte mein Vater in diesen 13 Jahren etwas zu diesen Zeugnissen. Als die erste 3 in einem dieser Zeugnisse auftauchte (das war im 10. Schuljahr), deutete er kurz auf diese Note namens „befriedigend“, sagte kühl: „Was solln das?“, wartete aber nicht auf eine Antwort, unterschrieb und reichte mir das Zeugnis zurück.
    Welche anderen Männer aus Ihrer Kindheit haben Sie geprägt?
    Ich kenne keinen. Weder mein einer damals noch lebender Großvater noch irgend einer meiner zahlreichen Onkel oder einer der Beschäftigten in der elterlichen Druckerei / Zeitung.
    Von meinem Großvater mütterlicherseits wurden mir zwei tapfere Taten während des Dritten Reichs erzählt, aber im Umgang mit mir blieb er mir immer fern: kühl, emotionsarm oder –los
    Unter meinen Lehrern fand ich EINEN sehr nett, aber es gab keinerlei Nähe, obwohl ich diese Nähe sehr ersehnt hatte, aber: Lehrer waren unendlich weit oben, fern. Ich habe auch nicht beobachtet, dass einer meiner Mitschüler jene imaginäre Barriere überstieg. Und der Lehrer von sich aus auch nicht.
    Welche Hauptfigur aus Buch, Film oder Geschichte hat Sie beeindruckt?
    Prinz Eisenherz (Comic-Serie) und „Ivanhoe, der Schwarze Ritter“ (ein Film, als ich 12 Jahre alt war, so um 1956). Sooooooo wie diese Helden wär ich gern gewesen! Stark, tapfer, schön, beliebt, von Frauen bewundert und geliebt!

    Ich fühlte mich selbst als das Hölzerne Bengele (Pinocchio) und wie das Kasperle in Josephine Siebes „Kasperlebüchern“: eigentlich immer allein, einsam, deplaziert, Fehler machend trotz bestem Willen, Außenseiter von Grund auf und für immer. Das Siebesche Kasperle kommt ja von einer fernen Insel und möchte immer dorthin zurück J
    Welche anderen Erfahrungen haben Ihr persönliches Männerbild geprägt?
    Ich fürchte: Sehr hat mich geprägt, dass mein Vater mir der absolute Feind meiner Mutter zu sein schien, so dass ich es als MEINE historische Aufgabe ansah, ihn zu töten und so meine Mutter von ihm zu befreien. Diese historische Aufgabe schaffte ich nicht auszuführen, ich musste mich also verachten, sowohl als potentieller Vatermörder wie als UNFÄHIG dazu.
    Ich weiß, dass ich eigentlich nie erwachsen werden wollte, weil ich dachte: Dann werde ich wie mein Vater.

    Verschärft wurde dieser Trend wohl noch durch die Aufforderungen meiner Mutter zur Anpassung: Sie wollte Auflehnung und Streit aus Weg gehen (sie war gegenüber MÄNNERN unfähig dazu), so sagte sie zur mir, als ich ein Kind war und sie vielleicht ein zaghaftes Aufbegehren in mir spürte, des öfteren: „Wenn dein Vater sagt, der Himmel ist grün, dann sagst du, der Himmel ist grün. Wenn er sagt, der Himmel ist rot, dann sagst du: der Himmel ist rot“.

    Den ersten (meines Empfindens) wirklich netten Mann lernte ich im Alter von 22 Jahren kennen, an der Uni. Zeitweilig, während Zeiten exzessiver Differenzen zwischen meiner Frau und mir (im Alter 48 Jahre plus) hatte ich Umgang mit einem weiteren SEHR NETTEN (meines Empfindens quasi femininen) Mann. Dessen Ehe ging damals in die Brüche.

    Dass mich das Thema „Vater“ so sehr bewegt, rührt daher, dass Sie ein Buch schreiben mit der zentralen Behauptung, Frauen wünschen sich ERWACHSENE Männer, und weil meine Frau mir fast, seit ich sie kannte, vorwarf (in schärfstem, oft gehässigstem Ton): „Deine Mutter ist bösartig zu mir!“ und: „Du liebst deine Mutter mehr als MICH“, bis zu der Formulierung: „Du kriechst deiner Mutter in den Arsch!!!!!“.

    Ich hatte meines Empfindens zu meiner Mutter eine Verhältnis des Respekts, nicht der Liebe. Ich bewunderte sie wegen einer ganz ungewöhnlichen Leistungsfähigkeit im Beruf, wegen ihrer Ethik (ich, gewesener Philosoph, empfinde, ich verdanke fast alle meine ethischen Regeln meiner MUTTER); ich konnte aber durchaus Kritik an ihr äußern wegen gravierender Mängel im Umgang mit ihren beiden Kindern. Ihrer Berufsaufgabe wurde sie glänzend gerecht, ihrer Mutterrolle nur sehr unzureichend.

    Anderseits muss ich auch in letzterem Fall sagen: Ich habe aus dem Mund meiner Mutter jemals auch nur einen einzigen dummen Satz gehört. Wenn ich mir vorstelle, wie manche Kinder von dummen Müttern zugeschwallt werden!! Dieses Glück, eine zwar nicht herzenswarme, aber eine SEHR KLUGE Mutter zu haben, wurde mir erst spät zur Gänze deutlich.
    Ich habe übrigens oft in den ersten Jahre meiner Beziehung zu meiner Frau zu ihr gesagt: „Wie schön, dass du so anders bist als meine Mutter!“ So etwas wie wirkliche Zuwendung hab ich ja zum ersten Mal in meinem Leben erst bei meiner FRAU erfahren.

    Es gab schreckliche Diskussionen mit meiner Frau zu der Frage, ob meine Mutter wirklich so absolut grauenhaft böse war, wie meine Frau sie empörtestens wertete. Schrecklich waren diese Diskussionen deshalb, weil ich meine Mutter zwar schätzte, aber meine Frau SEHR MOCHTE und mag und ihr gerecht werden wollte, und weil ich die Theorie verfocht und noch immer – einigermaßen – verfechte: Wer sich als Opfer darstellt (wie meine Frau, gegenüber meiner angeblich unvorstellbar exzessiv bösartigen Mutter), der hat ein bevorzugtes Recht, ernst genommen zu werden. – Ich musste sehr viel kämpfen, um diese von mir (meines EMPFINDENS ! im Zusammenhang mit dem Dritten Reich konzipierte) These in ihrer Gültigkeit etwas einzuschränken J (Ich tat das auch deshalb, weil ich selbst von meiner Frau immer wieder in ein denkbar schwarzes Licht getaucht wurde, wie ich es nirgendwo sonst jemals über mich hörte, ein Bild, das ich nicht für richtig halte, jedenfalls nicht in diesem Umfang. Das Fatale und weshalb mir die Abwertungen aus dem Mund meiner Frau so wahnsinnig weh taten: Ich wollte keinem Menschen so sehr gefallen und zu Willen sein und gerecht werden, sein Urteil so sehr ERNST nehmen, wie meiner Frau.

  16. Roland Kopp-Wichmannon 17 Mai 2009 at 19:23

    Sehr geehrter Herr Reimann,
    Sie haben sich sehr intensiv mit meinem Text beschäftigt. Danke dafür.

    Ihr Vater scheint recht kühl, streng und leistungsorientiert gewesen zu sein. Da hat man als Junge kein allzu positives Vaterbild, was Beziehungen angeht. Will entweder genauso werden oder gerade das Gegenteil. Beide Strategien helfen einem nicht, sich abzulösen, sondern halten einen an den Vater gebunden. Wichtig ist daher, irgendwann seinen Frieden zu machen mit dem Vater. Auf youtube gibt es dazu ein Video von mir.

    Bekommt man vom Vater keine herzliche Zuwendung, fällt es einem auch meist schwer, sich von der Mutter zu lösen. Meist idealisiert man sie, was im Vergleich mit dem kühlen Vater leicht fällt. Als Erwachsener in der Partnerschaft steht man dann innerlich – und oft auch äußerlich – zwischen zwei Frauen.

    Und muss sich entscheiden. Wenn man anfängt zu erkennen, dass bestimmte Schwierigkeiten in der Partnerschaft mit der eigenen nicht vollzogenen Loslösung von den Eltern zusammenhängt, ist das ein guter Beginn.

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